Wenn man sich wichtig nimmt und was wichtig ist

mima

Als ich heute die qualmenden Kraftwerke mit ihrem Dreck am Rhein von Remscheid aus fotografierte, die man besonders gut von Wermelskirchen aus sehen kann, da kam soziale Bewegung zustande.

Ich stand mit meiner Fuji  auf dem Bürgersteig und fotografierte die Strasse hinab so wie auf dem Foto zu sehen. Weil plötzlich eine Hundeauslaufmann kam, wartete ich.

Als er vor mir war und die Kamera sah, war nicht etwa eine freundliche Ansprache der Fall, sondern ein echtes Anrauzen: „Sie werden mich doch nicht etwa fotografiert haben!“

Booh, dachte ich bei mir und sagte „Wieso, Sie sind doch kein Motiv.“

Sein Gesicht verzog sich und ich sagte weiter „Drehen Sie sich mal um, da sehen Sie ein Motiv.“

 

Er sagte, das wäre nur Wasserdampf und ich entgegnete, angereichert mit Quecksilber und anderen Freundlichkeiten. Seine Angst vor dem Verlust von Deutschlands verkaufsfähiger industrieller Kompetenz wurde in den nächsten Sätzen deutlich und ich war froh, daß durch eine Graupelschauer das Gespräch enden mußte, weil ich keine Lust hatte Mülleimer für Politikfrust zu sein.

Aber noch etwas will ich schreiben. Er sah meine Kamera – mit dem Iphone in der Hand hätte ich wahrscheinlich machen können, was ich will. So ist heute die soziale Wahrnehmung.

Für mich enthält dieses Foto eine ganz wunderbare Kombination. Während der Müllwagenfahrer den Dreck aus dem Papierkorb an der Haltestelle holt, wird zugleich im Großen jede Menge Dreck in die Luft geschleudert.

Und natürlich kommen die Stoffe aus der Luft hier in der Gegend an bei den Bauern, den Apfelbauern, den Gärten in den Siedlungen, bei den Menschen in der Atemluft usw.

Aber wenn man den Menschen die sozialen Grundlagen bis fast zur existenziellen Armut nimmt – gerade auch denen, die gearbeitet haben – dann interessiert nicht mehr das Gesunde sondern nur das Überleben unter diesen Bedingungen. Und dann muß das Fleisch billig und der Rest preiswert sein. Würde man Antibiotika verbieten in der Schweinemast wie in Dänemark, würde man die Gülle im Grundwasser massiv reduzieren und würde man jedem Staatsbürger hier nach dem Arbeitsleben eine angemessene reale materielle Absicherung von ca. 1200 Euro Rente geben – dann wäre vieles besser, weil es auch keine Rechtfertigung mehr für schlechte Lebensmittel geben würde zu Dumpingpreisen. Und solange der Arbeitende hier bestraft wird, wenn er arbeitslos wird, wächst nur der Hass auf das System. Wahrscheinlich wird der Aufstand eher durch AFD wählen ersetzt – Protest pur.

Man hat mittlerweise fast ein Viertel der Menschen hier in Armut und es werden immer mehr. Immer mehr hassen, weil man ihnen das genommen hat, was ihnen zustehen würde und in den Ländern um uns herum selbstverständlich gezahlt wird. Es gibt kein unternehmerfreundlicheres Industrieland als Deutschland in Europa – und kein Land mit niedrigeren Renten und Einkommen und einer ungleicheren Vermögensverteilung.

Wie „krank“ sind Politiker, die ernsthaft verlangen, daß eine Grundrente nach 35 Jahren nur gezahlt werden darf, wenn Eheleute zusammen arm sein müssen. In allen Ländern um uns herum hat jeder einen Anspruch auf ca. 1200 Euro.

Hier wird man nicht mal allein in der Rente betrachtet mit eigenen Ansprüchen, weil man 35 Jahre gearbeitet hat (und selbst eingezahlt hat) und die Rente wenigstens ein Drittel der Höhe von durchschnittlichen Pensionen (ohne Eigenleistung)  als Minimum betragen sollte, sondern hier gibt es für Versicherte Sippenhaft und die ca. 820 Euro brutto nur, wenn man nicht verheiratet ist oder mit einem anderen im Alter zusammenlebt und beide zusammen nicht mehr als 1950 Euro brutto haben dürfen. Da die Ehe und Familie ja unter dem besonderen Schutz des Staats stehen und sonst das Grundgesetz ja immer eine so große Rolle spielt, ist es umso erstaunlicher, daß in dieser Kernfrage das Grundgesetz komplett ignoriert wird und eine massive Diskriminierung der Ehe stattfindet. Es ist keine Grundrente, was hier gerade verkauft wird sondern eine entwürdigende Murksleistung.

Ekeliger geht es nicht mehr. Und das von Menschen, die selbst meist monatlich über 10.000 Euro Steuergeld kassieren und für Asyl pro Jahr bis zu 50 Milliarden ausgeben – um nur mal einen auffälligen Sozialposten zu nennen.

Die Debatte ab hier hat an dieser Stelle aber nichts zu suchen. Mir reicht das Bild mit dem Problem, das ich seit Jahren immer wieder neu aufnehme und zeige. Es ändert sich nichts außer meiner Kamera.

Und deshalb ist dies an dieser Stelle so mein vorläufig letzter Artikel hier, weil ich mich wieder dem Eskapismus in der Fotografie zuwenden will, der Flucht vor der Wirklichkeit in schöne Bildchen.

Denken stört dabei nur.

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