Trost oder das Büdchen und der Jägermeister
Eine wahre Geschichte:
„Zitternd stand er vor mir und versuchte seine Aufregung zu verbergen. Klein, rothaarig, unrasiert blickte er mich aus Augen an, die keine Hoffnung mehr hatten.
Das Elend so gut wie möglich ertragen. Der Mann war gebrochen.
Seine Wohnung? Sein Zimmer im Obergeschoss eines Einfamilienhauses hatte Gardinen, die schon ewig keine Sonne mehr durchließen. Es roch nach ihm. Er lüftete nie. Im Zimmer war Ordnung, aber alles arm und kärglich.
Ich kannte seine Geschichte. Er war im Gefängnis gewesen. Sein Vermieter sagte, „er geht den ganzen Tag ans Büdchen Jägermeister holen.“ Als ich im Zimmer stand schien die Sonne so stark, daß das ganze Zimmer erstrahlte wie mit einem Heiligenschein untermalt.
In seiner ganzen Erbärmlichkeit stand der Mensch vor mir.
Ich sah in den Spiegel. Das könntest Du sein…“
Diese Geschichte habe ich im April 1987 in meinem Tagebuch mit dem Titel Fragmente 1 notiert. Sie gibt wieder, was ich damals erlebt und gedacht habe.
Nun habe ich über 30 Jahre später die Tagebücher aufgeschlagen und auf das geblickt, was ich damals nicht verarbeiten konnte.
Das ist eine Geschichte von den ersten Seiten des ersten Notizbuches.
Sie bleibt aktuell und erblickt nun die Öffentlichkeit. Ob ich weiterblättere, weiß ich noch nicht.
Aber hier entstehen ganz ohne Fotos Bilder im Kopf, die meine Wahrnehmung wiedergeben und das damals Geschehene. Es sind Bilder von innen und außen zusammen. Das wäre mit einem Foto unmöglich.
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