Immer wieder neu und doch derselbe Wahnsinn

mima

Heute habe ich Motive fotografiert, die fast jeder mit seinem Handy aktuell fotografiert: Krokusse als Vorboten des Frühlings –  wie gefühlt hundert Millionen andere Handyfotografen.

Das ist dann eine neue soziale Gebrauchsweise der Fotografie in dieser Zeit. Was wird sie bewirken, was bedeutet sie?

Ich möchte dies an einem Beispiel skizzieren:

„Jedenfalls leben wir in einer Welt des Leidens, in der das Böse grassiert, in einer Welt, die unser Dasein nicht bestätigt, in einer Welt, der wir widerstehen müssen. In dieser Situation gibt uns der ästhetische Augenblick Hoffnung. Daß wir einen Kristall oder eine Mohnblume schön finden, bedeutet, daß wir weniger allein sind, daß wir tiefer in die Gesamtexistenz einbezogen sind, als es uns der Ablauf eines einzigen Lebens glauben lassen würde… Alle Ausdrucksformen der Kunst haben sich aus dem Versuch entwickelt, das Augenblickliche in das Immerwährende umzuwandeln.“

Wenn man Mohnblume durch Krokuss ersetzt, wären teilweise und temporär vielleicht hundert Millionen Handynutzer einsam oder suchen Hoffnung oder fühlen sich in der Welt wohl.

Ob das stimmt oder so gesehen wird, entscheidet jeder Mensch selbst.

Nun denn!

Je weniger ich aktuell  lese, desto mehr arbeitet das früher Gelesene in mir ohne mich zu bestimmen.

Es fließt, manchmal wie ein überquellendes Fass, das ich nicht stoppen sondern nur kanalisieren kann.

Und dann ist da die Zeit, die ich wieder für Gehen und Sehen draussen vor der Tür habe…

 

Und die Kameras, die ich mitnehme, benutze ich fast alle nicht mehr (wobei dies nicht für manuelles Fotografieren gilt).

Ich nutze fast immer das Iphone mit Leicalux.

Es reicht für meine Motivwelten: stille Momente statt sozialer Situationen aus meinem Alltag als Momentaufnahmen.

Die einzige Änderung ist das Modell.

Leicalux funktioniert am Besten mit vielen Objektiven und eigentlich nicht mit dem Iphone SE. Also sind es jetzt die neusten Modelle, die ich nutze.

 

Ansonsten lese ich eigentlich weiter meinen Schopenhauer. Linear habe ich ihn hinter mir, spontan vertiefend und rekapitulierend habe ich ihn vor mir.

Ich bin gerade beim Wahnsinn.

„Denn unser zurückgelegter Lebensweg schrumpft in der Zeit zusammen, wie der des zurücksehenden Wanderers im Raum: bisweilen wird es uns schwer, die einzelnen Jahre zu unterscheiden; die Tage sind meistens unkenntlich geworden. …

Das Gedächtniß eines Gesunden gewährt über einen Vorgang, dessen Zeuge er gewesen, eine Gewißheit, welche als eben so fest und sicher angesehn wird, wie seine gegenwärtige Wahrnehmung einer Sache; daher derselbe, wenn von ihm beschworen, vor Gericht dadurch festgestellt wird. Hingegen wird der bloße Verdacht des Wahnsinns die Aussage eines Zeugen sofort entkräften. Hier also liegt das Kriterium zwischen Geistesgesundheit und Verrücktheit. Sobald ich zweifle, ob ein Vorgang, dessen ich mich erinnere, auch wirklich Statt gefunden, werfe ich auf mich selbst den Verdacht des Wahnsinns; es sei denn, ich wäre ungewiß, ob es nicht ein bloßer Traum gewesen. Zweifelt ein Anderer an der Wirklichkeit eines von mir als Augenzeugen erzählten[472] Vorgangs, ohne meiner Redlichkeit zu mißtrauen; so hält er mich für verrückt. Wer durch häufig wiederholtes Erzählen eines ursprünglich von ihm erlogenen Vorganges endlich dahin kommt, ihn selbst zu glauben, ist, in diesem Einen Punkt, eigentlich schon verrückt. Man kann einem Verrückten witzige Einfälle, einzelne gescheute Gedanken, selbst richtige Urtheile zutrauen: aber seinem Zeugniß über vergangene Begebenheiten wird man keine Gültigkeit beilegen.“

Noch mal: „Wer durch häufig wiederholtes Erzählen eines ursprünglich von ihm erlogenen Vorganges endlich dahin kommt, ihn selbst zu glauben, ist, in diesem Einen Punkt, eigentlich schon verrückt. “

Wenn ich den Fernseher anmache, merke ich, wie aktuell Schopenhauer ist und wie präzise seine Analysen sind.

Verrückte Welt!

 

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