Erinnerungen sind Fotos im Kopf
Ich wurde überschwemmt von Erinnerungen als ich zurückblickte.
Eigentlich wollte ich nur meine Fotosammlung etwas strukturieren.
Aber dann war da mehr.
Je mehr Fotos ich sah, desto mehr Erinnerungen kamen hoch. Längst verstorbene Menschen, neue soziale und architektonische Landschaften, Ereignisse und Entwicklungen – zu allem hatte ich ja Erinnerungen gespeichert, also Abläufe, Bilder und Gefühle.
So wurde ich überschwemmt und der Damm brach.
Ich zog mich daher von neuen Fotos fast völlig zurück, erinnerte mich vieler vergangener Blicke und las ungeplant parallel in der Bibel und über die Bibel. Das alte und neue Testament als Geschichtsbücher führten dann bei mir zu Martin Luther.
Dieser Mann kann für Europa gar nicht hoch genug gelobt werden.
Und dann las ich bei Will Durant, alles was Luther kritisiert hatte, wurde im England und Frankreich des 13. und 14. Jahrhunderts schon kritisiert (u.a. John Wyclif ) und führte zu Volksaufständen gegen die Kirche und die Obrigkeit.
Ich tauchte monatelang ab in die Lektüre von Glauben, Mystik und Geschichte und schwamm in einem Meer von anerzogenen Glaubenssätzen, historischen Erkenntnissen und Lebensfragen. Schlechtes Wetter wurde zum ungeplanten Helfer.
So entstand dann als eine Wegmarke der vorherige Text über Heterodoxien.
Da ich vorher aber letztes Jahr schon fotografisch das Thema unseen.city aufgearbeitet hatte und dort bis heute täglich ein Foto aus vergangenen Zeiten hochgeladen wird, kam das auch noch parallel dazu.
Diese Synchronizität der Ereignisse führt dazu, daß ich keine Zeit für neue Fotos habe.
Das ist ja nicht schlimm, aber ich muß es jetzt niederschreiben, damit ich es dauerhaft bemerke und mir merke.
So bin ich unmerklich in eine neue Zeit für mich gerutscht, die andere so gar nicht sehen und auch nicht sehen können.
Es ist auch eine Lesezeit und Transformationszeit.
Ermuntert hat mich die Aussage eines Schülers im Fernsehen vor ein paar Tagen, als er sinngemäß sagte, seine Generation sei wohl diejenige, die am meisten im Laufe der Geschichte leiden mußte, weil es Corona, Homeoffice etc. gab.
Erst kam ich aus dem Lachen nicht mehr raus und dann merkte ich, daß hier ein Grundmechanismus im Kopf wirkt: zu glauben, man wisse wie die Welt ist und war.
Das hat auch wieder mit den eigenen Bildern im Kopf zu tun.
Insofern ist historisches Wissen ebenso wichtig wie eine kritische Reflexion zu der Wirkmacht der Bilder im Kopf.
Der Freundeskreis ist ebensowenig die Welt wie die eigenen Erfahrungen. Es ist immer nur die eigene Welt und daher sollte man Distanz wahren.
Wie wirklich ist die Wirklichkeit?
Die Kenntnis unterschiedlicher Kulturen und unterschiedlicher Interessen ermöglicht dann sehr schnell, mehr zu verstehen. Auch reisen, wenn man nicht will, daß es woanders wie zuhause ist…
Aber ich merke, daß dieses Wissen und dieses Sehen nicht weit verbreitet sind und jeder Menschen auf Erden neu anfängt, die Schlange trifft und dann gesagt bekommt, wie die Welt ist …
In diesem Sinne