Über Füller und Schreiben – Blick nach 50 Jahren
Sein Name war Geha. Er war grün. Er konkurrierte in der Schule mit Pelikan in blau und rot.
Wir konkurrierten in den Klassen, wer mit wem schöner und schneller schreiben konnte.
Das ist 55 Jahre her.
Durch Schreiben stabilisierte ich mein Leben.
Aufschreiben wurde Arbeitsmittel und Analysemethode, weil daraus neue Gedanken wuchsen und/oder Ordnung und Orientierung eintraten. Analysen schärften meinen Blick.
Als Mensch aus kleinen Verhältnissen waren mir die gelben Kulis von der Post am Liebsten neben Geha-Füllern.
Getrieben vom Geltungsstreben in der Schule kamen dann Lamy, dann Parker, dann Pelikan M und danach war die Schule aus und die Konkurrenten weg.
Ich entdeckte Senator und namenlose Asiaten. Das ging so bis in die 90er Jahre des 20. Jhrdt.
Zwischendurch hatte ich Schreibmaschine gelernt und dann waren da die PCs.
Die Welt wurde auch digital und sortierte sich neu. Nach den Erfahrungen mit den neuen Heilsversprechen wie digitale Welt und papierloses Büro kam die Realität der neuen Welt zum Vorschein.
Die neue Mischung war da: Tagebücher mit Füller, Arbeit mit Tastatur.
Ich hatte damals etwas mehr Geld und entdeckte Montblanc.
Für Sammlerstücke reichte es nicht. Heute sage ich gottseidank, denn Sammlereditionen sind nicht zum Schreiben geeignet, weil sie dann benutzt und gebraucht aussehen.
Aber Sammlerstücke, die den Namen eines Schriftstellers haben, laden zur Projektion ein. Wenn ich mit Meisterstücken schreibe, die Dumas oder Voltaire heißen, haben meine Gedanken direkt einen höheren Stellenwert….
Das hat dann auch Leica gemacht nachdem Cartier-Bresson out war, indem Sänger und Sportler Sondereditionen schmückten. Sony zog dann nach.
Heute hat fast jeder seinen Mr. White im Programm.
Dafür waren und sind die Meisterstücke wie der Classique Kugelschreiber einfach klasse.
Ebay bot damals Menschen wie mir die Gelegenheiten zum Erwerb.
Und dann entdeckte ich eher zufällig den Cross Townsend Füller.
Der Füllfederhalter ist wie für mich gemacht und wurde über Jahre zum täglichen Werkzeug.
Ein Montblanc Kuli, ein gebrauchter LeGrand Füller und ein Cross Townsend wurden zu meinen echten Favoriten.
Natürlich kam immer was Neues.
Zeitweilig gab ich das Schreiben auf Papier sogar auf für das Bloggen.
Aber es sind zwei verschiedene Welten, die sich ergänzen aber nicht ersetzen.
Auf Papier schreiben mit Feder und Tinte ist für mich ein Wert an sich.
Papierarten, Federarten, Schreibdesign, Tintenvariationen – es ist einfach eine wunderbare Welt!
Nachfolgend sehen Sie den Vorläufer vom Iphone.
Es ist eine wunderbare Ledermappe mit Notizzetteln und Füllfederhaltern und Adressbuch.
Das Iphone ist oft praktischer aber weder so schön noch so kreativ.
Und genau hier sind wir gerade.
„Der Spot mit dem Titel “Crush!”” zeigt eine riesige hydraulische Presse, die allerlei Utensilien für Kreative gefüllt ist: mehrere Musikinstrumente, Farben, Fernseher, ein altes Arcade-Spiel, Geräte zum Abmischen von Musik und mehr. Begleitet von “All I Ever Need is You” von Sonny & Cher zermalmt die Presse all diese Kreativwerkzeuge und fährt dann hoch, um das iPad Pro zu enthüllen“, schreibt macwelt.
Das umstrittene Video von Apple zeigt, was passiert, wenn der Mensch seine eigenen Fähigkeiten zugunsten einer Maschine aufgibt – aufgeben würde. Wer das iPad als Ersatz für eigenes Tun sieht, hat verloren.
Deshalb ist z.B. Schreiben so schön oder Trompete spielen oder Singen oder Basteln. Es ist auch Selbstbestimmung und muß nicht immer über sich selbst hinausgehen.
Den Rahmen gibt die Heilsordnung vor.
„Es gibt nur einen angeborenen Irrtum, und das ist der, dass wir da sind, um glücklich zu sein.“
In diesem philosophischen Rahmen lebe zumindest ich.
Damit zurück.
Denn nun kommen die Chinesen, die kreativsten Kopierer der industriellen Welt. Das hat natürlich auch damit zu tun, daß die europäische Industrie ihre Maschinen und Verfahren nach China verlagert hat.
Während Japan immer die kreative Ecke Asiens war, wurde China zum verlängerten Arm der außerasiatischen Industrie. Und so kommen jetzt aus China Füllervariationen, die primär zum Schreiben in Chinesisch gemacht wurden – also senkrecht und/oder pure Strichkombinationen.
Das geht nur mit EF, F und M wirklich gut. Mit OM, OB, OBB geht es nicht. Hinzu kommt das Federmaterial.
Butterweiche klecksfreie Stahlfedern aus China kenne ich nicht, aber oft klecksfreie härtere Stahlfedern so wie sie früher in Deutschland zu finden waren.
Den „Goldstandard“ für Füllerschreiben habe ich persönlich in Goldfedern von Montblanc, Pelikan und Cross gefunden aus Europa.
Ansonsten ist das alles Glückssache. Ein Senatorfüller von mir mit Edelstahlfeder, der mehr als 30 jahre alt ist, schreibt ebenso butterweich wie ein Füller mit Goldfeder. Ein neuerer Cross Füller mit Edelstahlfeder, der nun in China produziert wird (!), schreibt ebenso butterweich.
Und so habe ich gelernt, daß es unterschiedliche Kulturen und Lebensweisen gibt, die sich auch bei Schreibgeräten wiederfinden.
Und gerade die Individualität der Menschen sollte hier vor einer Industrienorm die Individualnorm setzen, die eine Industrienorm in diesem Bereich nicht ersetzen kann.
Ich komme nun zum Schluß.
Ich habe hier nun digital einen Artikel über das Schreiben auf analoge Art mit Füller und Papier in meinem Leben verfaßt, um mir selbst ein Bild zu machen.
Das ist nicht paradox sondern so ist die Welt, wie sie mir gefällt.
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