Gedankenbilder und Lesefotos – Projektskizze
Lange vor meiner Zeit mit Fotos habe ich Tagebücher geschrieben. Seit dem Lesen des Tagebuchs von Albert Camus wußte ich, daß ich mich mit dieser Art des Schreibens ausdrücken kann. Also fing ich an.
Damit aber nicht genug. Parallel dazu schrieb ich Zitate aus Büchern auf, die ich gelesen hatte und die ich für bemerkenswert hielt und halte.
Zeitloses und Zeitgeist begegneten sich so auf Papier und ergaben eine aus meiner Sicht gute Mischung. Heute lese ich in dem, was ich vor mehr als 30 Jahren schrieb und aufschrieb und setze es in Relation zu dem, was um mich herum geschieht und geschehen ist.
Gute Gedanken erweitern den Blick und sind die geistigen Instrumente, um Gegenwart und Zeitgeist zu verstehen. Verstehen und verändern sind aber völlig verschieden.
Weil ich heute auch fotografiere, erstelle ich nun aus einigen dieser damals aufgeschriebenen Seiten (Zitate) Fotos und veröffentliche sie – Zeitgeist und Wandel.
Wenn man bedenkt, daß ich von 1982 bis 2006 Zitate in einer dicken Chinakladde aufzeichnen konnte, ergibt sich daraus ein Buch mit vielen Möglichkeiten, zumal es nicht alles ist.
Diese Sätze hier sind eine erste Annäherung an das Thema. Mittlerweile kann ich auch wieder besser lesen – wenn auch nur bedingt – und bin nun über David Yalom bei Nietzsche und Schopenhauer gelandet. Ich bin wieder da, wo ich begann.
(Durch Anklicken sind die Fotos stark vergrößerbar)
Lesefoto Hellmut Becker 1981 – Die andere deutsche Frage, Thema Einkommensverteilung
Lesefoto Der Spiegel 1985 Von Büchermenschen zu Bildermenschen
Lesefoto Herbert Marcuse Repressive Toleranz und Bertolt Brecht Tabakhändler in der Diktatur
Die meisten dieser Bücher sind aus der öffentlichen Debatte verschwunden, aber ihre Gedanken sind als Reflexion auf die bis heute vorhandenen Verhältnisse entstanden und daher immer noch aktuell.
Der Blick zurück ist deshalb auch der Blick nach vorn. Vereinfacht gesagt Fridays for Future sagt dasselbe wie damals der Club of Rome.
Reinhold Messner hat es vor ein paar Tagen in prisma gut gesagt: „Das Bewusstsein ist gestiegen, aber gemacht wurde bisher nichts. Kein Zweifel daran: Die Klimabelastung ist in den letzten zehn Jahren gewachsen und nicht gesunken. Natürlich hängt das auch damit zusammen, dass große Nationen, wie die USA, aus dem Pariser Abkommen ausgestiegen sind oder andere es nicht ernst nehmen oder gar nicht erst dabei waren. China und Indien zum Beispiel. Das sind doch die großen belasteten Nationen. Wenn die nicht mitmachen, dann brauchen die Europäer nichts zu tun. Die Europäer werden jetzt vorangehen und etwas ändern, aber im Endeffekt ist das Thema viel komplexer, als es dargestellt wird. Früher oder später werden die Leute sagen: Was ist denn passiert? Der Wald steht doch immer noch! Das ist alles zu oberflächlich. Die liebe Greta hat von alledem keine Ahnung. Sie wird benutzt, das ist alles ein großes Geschäft.“
Es sitzen heute weltpolitisch mehr am Tisch als vor 30 Jahren und in Deutschland tut man so, als ob am deutschen Sozialwesen die Welt genesen könnte. Die alten Fragen der Grenzen des Wachstums, der Grenzen der Freiheit und der Grenzen des Systems sind wieder mehr sichtbar. Nur die Umstände sind anders. Kontrollen werden jetzt immer digitaler und genauer aber beiben Kontrollen. Private Konzerne kontrollieren mehr von uns als die Polizei.
Ein Beispiel: Wer bei amazon ebooks kauft, der kann im kindle kontrolliert werden. Amazon weiß was du liest, wo du liest, was du unterstreichst etc. Die Gedankenpolizei ist nur einen Mausklick entfernt. Das zu unterbinden wäre Aufgabe staatlicher Gewalt, aber genau dies geschieht nicht. Noch schlimmer ist es bei Facebook, die deine Gedanken sogar an viele andere Firmen verkaufen. Es ist nur noch ein kurzer Weg.
Es sind also die alten Fragen von Macht und Herrschaft und von Demokratie und Freiheit, die unter den heutigen Bedingungen wieder beantwortet werden müssen. Dazu hat Theodore Roszak vieles gesagt:
„Große Ideen beruhen auf keinerlei information. Ich werde sie deshalb dazu benutzen, den radikalen Unterschied zwischen Ideen und Daten hervorzuheben, zu dessen Verwischung der Informationskult so sehr beigetragen hat.
Nehmen wir eine der großen Ideen unserer Gesellschaft als Beispiel:
Alle Menschen sind gleich.
Der Macht dieser vertrauten Idee kann sich keiner von uns entziehen. Sie zeugte Generationen währende gesetzliche und philosophische Kontroversen, politische Bewegungen und Revolutionen nahmen in ihr ihren Anfang. Es ist eine Idee, die unsere Kultur in einer Weise geprägt hat, daß sie jeden von uns zutiefst betrifft; sie ist ein Teil, vielleicht der wichtigste Teil, unserer persönlichen Identität.
Aber woher stammt diese Idee?
Offensichtlich nicht aus Tatsachenmaterial. Diejenigen,die diese Idee schufen, besaßen nicht mehr Informationen über die Welt als ihre Vorfahren, die zweifellos schockiert gewesen wären von einer solchen Behauptung. Sie besaßen viel weniger Informationen über die Welt, als wir im späten zwanzigsten Jahrhundert für notwendig erachten würden, um eine so gewaltige, universelle Aussage über diemenschliche Natur zu machen.
Und doch haben all die Menschen, die über Generationen hinweg ihr Blut vergossen haben, um diese Behauptung zu verteidigen (oder sich ihr zu widersetzen), dies nicht auf Grund irgendwelcher Daten getan, die man ihnen vorgelegt hätte. Die Idee hat überhaupt keine Beziehung zu Informationen. Es würde schwerfallen, sich einen Forschungszweig auch nur vorzustellen, der sie beweisen oder widerlegen könnte.“
Damit möchte ich meine Skizze an dieser Stelle beenden. Man merkt, es gibt viel zu tun, zu zeigen und zu fotografieren und zu reflektieren – gedanklich und visuell….
Absolut verblüffend, wie sehr sich da Parallelen zu Lebensweisen auftun, die ich von mir kenne. Im Regal über dem Schreibtisch stehen meine Tagebücher der letzen 10 Jahre, und alle von davor verwahre ich in einem großen Koffer.
Geschrieben allesamt mittels Füller und Tinte. Ich fand immer, dass das angemessenen Ausdruck verleiht, und sich bewußter schreibt. In den eigenen Aufzeichnungen lesen, entspricht dem, was heute als Selbstreflexion beschrieben sein mag. Mancher Therapeut verdient sich mit der Recherche von Biografien eine goldene Nase. Es scheint also was dran zu sein, besser nach vorne schauen zu können, wenn man das was hinten liegt, klarer sieht. Man konfrontiert sich mit konkreten Momenten und deren Emfindungen und Gedanken, und darf Schlüsse daraus ziehen auf das, was man gegenwärtig tut und denkt. Hilfreich und irgendwie auch segensreich ist das, wenn man es dann so sehen möchte. Der Bogen läßt sich schlagen aud den alten Tagebüchern heraus in die Neuzeit.
Zur Sache der Kontrollen bzgl. Amazon & Co gibt es eine überraschend einfache Lösung. Nicht nutzen! Entgegen politischer und teils militärischer Überwachungen läßt sich in der Art doch wenigstens dort, wo es geht, Einflussnahme minimieren. Die einzigen Hürden , die es zu nehmen gilt, sind Gruppenzwänge und Bequemlichkeiten.
„Alle Menschen sind gleich. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sei du die Veränderung, die du dir für die Welt wünschst….“ Eins haben solche schwergewichtigen Aussagen alle gemein. Sie sind Plakate. Man kann sie sich anschauen, und wenn man nicht unmittelbar betroffen ist von etwas, das damit einhergeht, schreitet man weiter. Es zermürbt auf Dauer, für sich im Kleinen an Lösungen zu arbeiten, die im Großen fußen. Ich habe mich distanziert von diesen allgemeingültigen Überbildern und mir einen Satz zueigen gemacht, der mich ganz tief an eigener Stelle konkreter fordert, und der von Erik Bosch stammt. „Ist es für den Menschen, der vor mir steht, Glück oder Pech, mir begegnet zu sein?“. Er ist grandios. denn das Wort Mensch könnte auch Baum, Natur, Gesellschaft…etc lauten. Der Satz hat unmittelbar mit mir zu tun und prägt Verhalten unmittelbar.
Danke dir für die Gedankenanstöße!
Herzlich, Dirk
Ein schöner Beitrag, der wieder einmal viel Gedanken anstößt. Sie passen und ergänzen gerade wunderbar das Buch, was ich derzeit lese: „Alles könnte anders sein“ von Harald Welzer.
Herzlich,
Werner