Lesen vor dem Fotofrühling
Es gibt aktuell ein paar gute Bücher mit und über Fotografie, die ich vorstellen möchte:
Gerade ganz aktuell ist das Buch Jindřich Štreit, Village People 1965-1990. Es handelt sich um Dokumentarfotografie, die hochgelobt wird und richtig gut ist. Bemerkenswerterweise werden Menschen, die so etwas in Deutschland aufnehmen, bis heute eher an den Rand gedrängt und nicht unterstützt. Aber in anderen Ländern hat man einen hochentwickelteren Sinn für Motive mit den kleinen Leuten aus dem eigenen Land.
Ein ganz anderes Thema mit ebenso viel fotografischem Herzblut finden wir in dem Buch Heissdampf von Robin Garn über Eisenbahnfotografie. Dieses Buch ist auch keine Auftragsfotografie sondern Ergebnis eines Amateurs im besten Wortsinn, der über sein Hobby schreibt. Herausgekommen ist ein Fotobuch, das zugleich Lebensgeschichte und Eisenbahngeschichte ist.
Beide vorgenannten Bücher sind das Ergebnis rein privaten Interesses. Es ist die soziale Dokumentarfotografie, die der Staat lieber unter den Tisch kehrt, weil hier engagierte Einzelpersonen echtes Leben zeigen und nicht die Wahrheitsblasen der Regierenden.
Zum Thema Wirklichkeit durch Bilder ist ein anderes Buch erschienen mit dem Titel Bilder einer Diktatur. Zur Visual History des „Dritten Reiches“ von Gerhard Paul. Das Buch hat es in sich, weil es mit unseren Bildern im Kopf aufräumt und zeigt wie im Nationalsozialismus bewußt Bilder gemacht wurden, die bis heute wirken. Das setzt sich übrigens fort, insofern ist dieses Buch doppelt wertvoll und zugleich richtig spannend.
Ähnlich interessant ist das Buch Vietnam – ein Krieg in Bildern von Berthold Petzinna / Renatus Schenkel (Hg). In diesem Buch geht es um Kriegsfotografie. Es ist sehr spannend und lehrreich zugleich und die Bildbesprechungen sind sehr aufschlußreich.
Abschließend noch ein Buch, das es eigentlich nicht geben kann. Zeuge Waldeck. Das erfundene Leben des Rolf vom Busch von Viola Meike und Sarah Baldy. Das Leben schreibt wirklich die besten Geschichten. Das kann man nicht erfinden.
Rolf vom Busch aus Remscheid war ein Mann, der als Sexualmörder verurteilt wurde, weil er seinem Sexpartner die Kehle durchschnitt und die Hoden abtrennte. Dafür wurde er später „entmannt“.
Damit nicht genug behauptete er, mit Hitler im Hotel Kaiserhof Sex gehabt zu haben.
Das rief den Volksgerichtshof auf den Plan, der ihn erneut zusätzlich zu Haftstrafe und Ehrverlust verurteilte.
Er kam dann in ein Gefängnis in Brandenburg-Gören, in dem u.a. auch Honecker tätig war.
Von dort ging es ins KZ und im KZ auf den Todesmarsch vom Wiener Neudorf nach Mauthausen.
Dabei versteckte er Unterlagen, die die SS vernichten wollte und sorgte so mit dafür, daß später Nazi-Verbrechen aufgeklärt werden konnten. Unglaublich spannend und vor allem ein Bericht, der zeigt, wie wichtig Fotos und andere Dokumente sind, um Ereignisse und Zustände belegen zu können. Das Foto hat trotz aller Manipulationsmöglichkeiten nichts von seiner dokumentarischen Kraft verloren.
Wer bis zum Ende des Lockdown spannend, unterhaltsam und lehrreich lesen möchte, dem kann ich die hier vorgestellen Bücher nur wämstens empfehlen.