Vom Glück als Flaneur mit der Fotografie als Mittel zur Entdeckung der Welt unterwegs zu sein

mima

Die Welt ist nicht besser geworden aber in Mitteleuropa ist es noch nicht so schlimm im öffentlichen Raum wie zur Zeit als Erich Grisar mit Kamera und Schreibmaschine durch Europa zog. Heute ist eine andere Art der Endzeit. Sie ist bunter und digitaler und hat neben der sozialen Verschmutzung durch fanatisierte Menschen, die sich dabei in freien Staaten suhlen, eine neue Dimension, die unumkehrbare Umweltverschmutzung.

So ist Gestern nicht Heute aber die sozialen und biologischen Voraussetzungen für diese Entwicklungen sind die gleichen: der Mensch.

Die Menschen wollen es weit überwiegend so. Sie leben den Widerspruch und lösen ihn nicht auf.

Der Flaneur kann dies sehen und so wie ich auch historisch vergleichen. Er kann dann etwas auf der Welle des Konsums mitschwimmen aber letztlich sind die Gesetze des Lebens überall anzutreffen. Mag sein daß reichere Menschen sich überlegen fühlen und glauben sicherer zu sein. Aber das ist natürlich außerhalb ihrer Gefühlswelt und rechtloser Zonen nichts wert.

Spätestens beim Gang auf den Friedhof merkt man das. Und heute war ein schöner Film auf arte über den Umgang mit dem Tod in Nepal. Da wird die Leiche an den Fluß gebracht und verbrannt und danach die Asche in den Fluß gekehrt. Der Tod ist so selbstverständlich, daß nebenan das Leben ohne große öffentliche Trauer weitergeht.

Was wir auf unseren Friedhöfen sehen sind die Überreste der Hinterbliebenen. Die Toten haben davon nichts mehr. Es sind Orte der Erinnerung und sie zeugen von einem anderen Umgang mit dem Tod als in Nepal. Jeder hat recht.

Blumen am Grab

Dabei relativiert sich jeder Blick und der Wert des Lebens, auch des eigenen Lebens, kann deutlich werden.

So flaniere ich gedanklich durch die letzten Monate und manches Foto erinnert mich daran.

Es sind meine Fotos mit meinen Erinnerungen.

Es ist mein Weg durch die Welt und daher auch mein Glück.

Ich kann es nicht teilen.

Wenn ich es erlebe, dann nur in dem Moment, in dem ich es spüre.

Die Kamera hilft mir dieses Geschehen zu gestalten und festzuhalten.

Hält mich das Fotografieren vom unbeschränkten Dasein ab?

Nimmt es mir den unbefangenen Blick?

Eigentlich nicht, weil ich anders bin als John Berger.

Ich habe eher das Gefühl, mich mit Fotos und Texten besser ausdrücken zu können als mit Gedichten.

Und ich mache Fotos, die mir viel geben.

Aber John Berger hat an einer Stelle völlig recht:

„Jedenfalls leben wir in einer Welt des Leidens, in der das Böse grassiert, in einer Welt, die unser Dasein nicht bestätigt, in einer Welt, der wir widerstehen müssen. In dieser Situation gibt uns der ästhetische Augenblick Hoffnung. Daß wir einen Kristall oder eine Mohnblume schön finden, bedeutet, daß wir weniger allein sind, daß wir tiefer in die Gesamtexistenz einbezogen sind, als es uns der Ablauf eines einzigen Lebens glauben lassen würde… Alle Ausdrucksformen der Kunst haben sich aus dem Versuch entwickelt, das Augenblickliche in das Immerwährende umzuwandeln.“

Und so erlebe ich den ununterbrochenen Wandel, beim Beobachten als Flaneur oft als ästhetisches Erlebnis im guten und schlechten Sinne. Das ist meine Kunst.

Ich erlebe die Dinge, die andere gar nicht wahrnehmen.

Heute war es an der Kaufhauskasse. Niemand außer mir nahm es überhaupt wahr, während es mich fast umhaute.

Ähnlich stark war es auf der Beerdigung. Davon sehen Sie weiter oben ein Bild. Ganz unten auf dem Foto sehen Sie eine weiße Rose. Diese wirkte unglaublich stark auf mich als ich in der Reihe wartete, die am Grab Abschied nahm. Die Rose schützte mich vor der Dominanz der Numerierung der Grabstellen. Die Zahlen drückten den nackten Tod aus während die Rose dies aufhebte ohne Worte. Vielleicht war ich auch da der Einzige, der so empfand, aber für mich war es so.

Daher ist für mich das Glück als Flaneur unterwegs zu sein keine Flucht aus der Welt sondern diese Art der Sicht auf die Welt.

Und Fotos helfen mir dabei. Sie sind nie so umfassend wie eine Erinnerung aber sie können durch eine Erklärung – wie die vorher formulierten Worte – dazu führen, daß mein Foto besser verstanden wird.

Und seitdem ich so flaniere wird mein Interesse daran, Fotos aus diesem Erleben zu teilen, immer geringer.

Und so ist dieser Artikel eben nicht mehr aus dem Zwang entstanden, mich mitzuteilen – so wie früher -, sondern als eine Reflexion aus dem öffentlichen Raum für den digitalen öffentlichen Raum, um mir selbst Rechenschaft über diesen Zustand abzulegen.

 

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