Zwischen 28 und 50 Millimeter – Brennweite und Gestaltung in der Fotografie

mima

Warum fotografierte Henri Cartier-Bresson am liebsten mit einer 50mm Brennweite?

Dazu sagte er selbst: “The 50mm corresponds to a certain vision and at the same time has enough depth of focus, a thing you don’t have in longer lenses. I worked with a 90mm. It cuts much of the foreground if you take a landscape, but if people are running at you, there is no depth of focus. The 35mm is splendid when needed, but extremely difficult to use if you want precision in composition. There are too many elements, and something is always in the wrong place. It is a beautiful lens at times when needed by what you see. But very often it is used by people who want to shout. Because you have a distortion, you have somebody in the foreground and it gives an effect. But I don’t like effects.”

Einfach ausgedrückt sind bei einer 50mm Brennweite nicht zu viele Elemente im Blick und man kann besser ein Bild komponieren.

Damit hat er recht, wenn man so komponieren will. Aber das ist natürlich nur eine Möglichkeit.

Damals gab es auch noch keine Ricoh GR, diese wunderbare 28mm Digitalkamera ohne Sucher, die mit unerreichter Schnelligkeit großartige Fotos macht.

Es gab auch noch keine Fuji X100 mit der 35mm Brennweite und es gab noch keinen Autofokus.

Was sagt uns das?

Hätte Henri Cartier-Bresson die Leica Q genutzt? Diese hat eine 28mm Brennweite.

Wir wissen es nicht und erfahren aus der zitierten Aussage auch nur, daß die 50mm Brennweite mit der Schärfentiefe seinen Vorstellungen entspricht. Er nutzte nicht die lichtstärkste Variante.

Denn man muß auch sagen, daß die lichtstärksten Objektive nicht immer die optimalen Objektive für jede Art von Fotos sind. Es kommt auf die Art der Fotos an.

So sieht man auf dem folgenden Foto, daß hier im Vollformat mit dem Kitobjektiv der Sony Alpha 7 und der Blende F4.5 eine Freistellung fast des gesamten Buddha erfolgt. Dieser Buddha ist deshalb so gut als Motiv geignet, weil er insgesamt fast zehn Zentimeter Umfang in der Tiefe hat und dadurch Schärfentiefe und Bokeh gut gezeigt werden.

Sony Alpha 7 51mm F4.5

Und nun folgt dasselbe Spiel mit einem lichtstärkeren Objektiv:

Sony Alpha 7 50mm F1.8

Hier ist das Bokeh im Hintergrund stärker ausgeprägt und cremiger aber der Buddha wird auch nicht mehr komplett im Vordergrund freigestellt sondern der Übergang erfolgt ziemlich abrupt. Man sieht daß der Rucksack mit den Münzen auf dem Rücken des Buddha nicht mehr zu sehen ist sondern schon unscharf ist.

Es bleibt Ihnen überlassen, was besser aussieht. Mir gefällt die erste Variante besser.

Aber um das Ganze noch weiter zu treiben betrachten wir es doch mal aus der 27mm Perspektive mit F0.95. Das sieht so aus:

Huawei P20 27mm F0.95

Und hier eine Variante mit F2.0:

Huawei P20 F2

Man sieht hier alles was Henri Cartier-Bresson meinte.

Mit 27/28 Millimeter ist einfach mehr auf dem Bild als bei 50/51 Millimeter. Aber damit sind ebenso gute Fotos möglich nur die Gestaltung ist anders weil es mehr Elemente gibt.

Je nach Blende ist aber auch ein 50 Millimeter Foto nicht so gut zu gebrauchen.

Bei Vollformat und 50mm sollte die Blende nicht zu lichtstark sein, also besser bei F3.5 als bei F1.8.

Wenn wir jetzt zu MFT wechseln und dies alles mit einer Lumix GX7 und dem 25mm F1.7 Objektiv fotografieren, sieht es so aus:

Lumix GX7 25mm F1.7

Mir gefällt dieses Foto besser, weil hier die Unschärfe nicht so abrupt verläuft aber auch cremig wird. Sensorgröße, Blende und Brennweite hängen direkt zusammen. Dies findet sich gut erklärt hier.

Nun noch ein modernes Fotos aus einer Canon EOS 100D mit umgerechnet 60mm Brennweite auf Kleinbild und F2.8:

EOS 100D 40mm Brennweite F2.8

Aber wir wollen auch den Urvater aller Lumix Digitalkameras nicht vergessen mit dem unvergleichlichen Sensor, die DMC-L1 von 2006. Da sieht der Buddha so aus:

Lumix DMC-L1 Sigma 30mm F1.4

Oder etwas mehr Schärfentiefe:

DMC-L1 Sigma 30mm F2.8

Butterweiches Bokeh und nichts tut weh.

Nun will ich es noch einmal andersherum zeigen.

Die Sigma DP1s von 2009 hat umgerechnet auf Kleinbild eine Brennweite von 35mm. Sie hat eine Anfangslichtstärke von F4. Der Sensor ist ungefähr so groß wie bei APS-C, also größer als MFT. Ein Foto mit dieser Kamera sieht so aus:

Sigma DP1s 35mm F4

Das Foto ist wirklich gut und nicht krümmelig auch bei 100% Vergrößerung und sehr detailreich. Unschärfe gibt es erst sehr dezent im hinteren Bildverlauf.

Wer so wie Henri Cartier-Bresson gestalten will, der wird die 50mm lieben.

Aber das ist heute mit vielen Digitalkameras möglich und die Qualität zwischen Vollformat und MFT unterscheidet sich eher beim Bildhintergrund und den Freistellungsmöglichkeiten beim Bokehverlauf.

Dabei zeigt sich, daß Vollformat mit einem nicht ganz so lichtstarken Objektiv bessere Freistellung und bessere Unschärfveläufe ermöglicht, wenn nicht alles so unerkennbar unscharf und verschwommen sein soll – wenn es also Fotos wie bei Henri Cartier-Bresson sein sollen, die monochrom sind und eine Geschichte erzählen.

Wenn Farbe ins Spiel kommt und Bokeh im Schärfe-Unschärfespiel einen dominierenden Einfluß hat wie beim neuen Leica-Style, dann sieht die Sache anders aus.

Dann ist es aber auch jenseits der Fotos von Henri Cartier-Bresson. Wie das Ganze im Stil von HCB monochrom aussieht, möchte ich nun an einer älteren Digitalkamera mit kleinerem Sensor zeigen, die ich aber für ein gutes fotografisches Werkzeug halte. Es ist die Fuji X10.

Fuji X10 F2.5

Nicht ganz so viel Unschärfe aber ein klares Bild und eine klare Trennung von Vordergrund und Hintergrund.

Ich finde es gibt gute Gründe für 50 Millimeter Brennweite aber auch für 28mm Brennweite wie die Ricoh GR oder die Leica Q zeigen.

Das ist aber eine andere Art zu gestalten und zu fotografieren als bei Henri Cartier-Bresson, der im Vollformat mit 50mm und Blende F3.5 meisterlich gestaltete Fotos machte auf monochrome Art, die immer etwas erzählten und aus dem echten  Leben stammten.

Und diese meisterliche Art des Fotografierens auf monochrome Art kann man heute mit Solokameras und Smartphones praktizieren.

Wer lieber mit 28mm fotografiert, der sollte sich einmal bei Garry Winogrand (Leica) oder Daido Moriyama (Ricoh)  oder Antonin Kratochvil (Canon) umschauen.

Zusammengefaßt könnte man sagen, wir bewegen uns zwischen mehr Zufall (28mm) und mehr Gestaltung (50mm) bei diesen Brennweiten.

Hinzu kommen dann ja noch die Filter, das Land der unendlichen digitalen Möglichkeiten.

So ist es eine persönliche Sache wie man heute fotografiert und keine technische Frage. Es gibt quasi keine Einschränkungen technischer Art für die eigene Art und Weise der Fotografie und ältere Digitalkameras erzielen damit auch sehr gute Ergebnisse.

Na dann!

Und zum Thema Bokeh noch einen schönen Link hier.

3 thoughts on “Zwischen 28 und 50 Millimeter – Brennweite und Gestaltung in der Fotografie

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