Der Ketzer in einer bigotten Welt – Sonnige Zeiten!

mima

„und die vielen
die toten fische die nur mit dem strom schwimmen können
die angepaßten eben
denen stets alles recht ist wie es ist …“

Heinrich Böll

Gegen herrschende Konventionen zu sein oder intellektuelle Dissidenz zu leben bedeutet immer noch ein „Ketzer“ zu sein.

Das Wort ist ein Machtwort der Herrschenden gewesen, um andere Meinungen zu diskreditieren.

Der Preis der Ketzerei ist die Ausgrenzung, oft sogar die Vernichtung der Existenz.

Umgekehrt ist es die Anpassung, wenn man sich den herrschenden Trends und Ideologien fügt.

Was ist besser?

Das ist die falsche Frage.

„Oberstes Ziel ist das Überleben, gefolgt von Sex.“

Das ist das Gesetz der Existenz.

Danach und in einer Demokratie mit gesicherter Meinungsfreiheit, für die man sich einsetzen muß, kommt mehr.

Welche Grundsätze habe ich und bin ich bereit, den Preis dafür zu zahlen?

Zahlen muß man immer, das ist die Realität des Lebens.

Ausgrenzung oder Anpassung?

Für mich war es immer wichtig zu wissen, wie man früher lebte und wie man heute lebt.

(Hier stand vorher folgendes und das hat auch was mit Sozialisation zu tun:  Für mich als Historiker war es immer wichtig zu sehen wie man früher gelebt hat und für mich als Sozialwissenschaftler war es immer wesentlich die Menschen in ihren verschiedenen Zusammenhängen zu sehen.)

Daraus wird deutlich, es gibt mehrere Antworten und deshalb sind die Regeln der gegenseitigen Achtung und die Menschenrechte so wichtig, wenn man friedlich zusammenleben will. Das hat immer wieder viele Jahre regional funktioniert. Aber es waren und sind immer Machtfragen. Auch Menschenrechte brauchen Macht, also Menschen und Armeen, die dafür eintreten.

Ohne Armee kommt die Angst, mit einer Volksarmee reduziert sie sich am besten, weil alle mitmachen müssen. Das ist der beste Weg, um eine Demokratie zu schützen und ihre Werte zu vermitteln im Sinne von Staatsbürgern in Uniform.

Heute können wir dies alles fotografieren.

„Ketzerhafte“ Fotografie dokumentiert in einer Demokratie die gelebte Widersprüchlichkeit.

Es wird also nur Wirklichkeit gezeigt.

Aber Fotografie kann davon nur die Realität zeigen.

Das ist ein wesentlicher Unterschied.

Kurt Tepperwein hat das mal so ausgedrückt: „Sogar Physiker sprechen von einem Unterschied zwischen Wirklichkeit und Realität. Wirklichkeit ist das, was ist. Realität ist stets die subjektiv gefärbte Wahrnehmung der scheinbaren Wirklichkeit.“

Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Diese Frage hat in einer virtuellen Welt noch mehr Dimensionen.

Antworten darauf und das Zeigen der Realität(en) sind wichtig, um „wahr“zunehmen und so durch die bewußtseinsschaffende visuelle und textuelle Kommunikation auch die Demokratie zu schützen.

Doch auch Realität ist nicht gleich Realität.

„Die andere Seite der Wahrheit, gerade auch die finstere, die von den Siegern verdunkelte oder einseitig bestimmten Personen in die Schuhe geschobene, ist nämlich eine Realität. Der optimistische Fortschrittsglaube so vieler Menschen von heute, derjenige der Zweckoptimisten unter den Siegern nicht ausgenommen, tut aber so, als existiere die dunkle Seite des Menschen oder der menschlichen Institutionen nicht. Wie aber soll es unter diesen Umständen einem Menschen gelingen, seinem Leben einen Sinn zu geben?

Dabei ist es doch erklärte Absicht aller richtigen Erziehung, dem Menschen zu helfen, auch das Problematische des Lebens zu akzeptieren, ohne sich dadurch besiegen zu lassen. Das Rezept eines Sigmund Freud etwa lautet nicht von ungefähr: Nur durch mutiges Kämpfen gegen scheinbar übermächtige Widrigkeiten kann es dem Menschen gelingen, seinem Leben einen wirklichen Sinn abzuringen.“

So ist das und so erlebe ich meine Lebenszeit. Diese wunderbaren Worte sind übrigens aus dem Buch Ketzer in Deutschland von Horst Herrmann.

Deshalb ist so verstandene Ketzerei auch durch Fotografie immer Herrschaftskritik, die Demokratie real schützen will.

Demokratie bedeutet dabei soziale Sicherheit und geheime Wahlen. Ohne soziale Sicherheit haben die Mächtigen schon vorher gewonnen.

Ob man sich mit solchen Gedanken Freunde macht?

Einer der bekanntesten Ketzer der letzten Jahre neben Heinrich Böll war in Europa Hans A. Pestalozzi.

Sein Schicksal bestätigt jedes Wort hier.

Aber im Angesicht der eigenen Endlichkeit kann man eben auch Mut haben, auch wenn das kollektive Gedächtnis und das Geschichtsbuch kein Trost sind.

Fotografie kann nicht mehr als dies zeigen.

Fotografie kann dies zeigen.

Aber genau dazu gehört Mut.

Ist Mut Ketzerei?

Und niemand zahlt dafür aber der Ketzer bezahlt dafür.

Armut ist der Preis der Ketzerei in einer Gesellschaft, die unter Freiheit freie Fahrt für die Mächtigen und das freie Überfahren der Schwachen meint.

Wer soll das fotografieren, wenn er dafür bestraft wird?

Wie würden Sie darauf antworten?

Camus hat dies alles gesehen und zumindest mich mit Sisyphos existenziell verortet.

Ich ende bei seinem Gedanken:

„Das Elend hinderte mich, zu glauben, daß alles unter der Sonne und in der Geschichte gut sei; die Sonne lehrte mich, daß die Geschichte nicht alles ist.“

Und so lebe ich nun auch diesen Widerspruch, indem ich mir eine neue Kamera kaufe und die Sonne mir den Weg weist.

Und ich hoffe darauf, daß ich alle ketzerischen bissigen Motive geflissentlich übersehe.

Ob das klappt?

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