Pornos gucken statt Liebe machen – die neue Fotografie?

mima

Martin Eisenlauer hat vor kurzem folgendes beschrieben: “In meiner Erinnerung an die jeweiligen Momente sah die Welt bei Weitem nicht so perfekt aus wie auf den Bildern im Handy. Auf den Fotos ist der Himmel immer ein wenig blauer, die Blumen sind bunter, das Licht weicher, und die Gesichter haben weniger Falten. 

Ist das Kunst? Nein. Es ist künstliche Intelligenz. Geht man davon aus, das Fotografie die Realität abbildet, schießen aktuelle Smartphones eigentlich gar keine Fotos mehr. Vielmehr schaffen sie kleine digitale Kunstwerke. Die Aufnahmen sind nicht mehr die Summe der Lichtwerte, die ein Sensor misst. Ausgeklügelte Algorithmen untersuchen jeden einzelnen Bildpunkt, verbessern Farbwerte, Kontrast, Belichtung und Blende. Die Fotos sind das Ergebnis von Tausenden Optimierungsschritten, die in Sekundenbruchteilen berechnet werden. …So können wir uns alle an den wundervollen Bildern erfreuen, die von schlauen Systemen für uns gezaubert werden. Und vielleicht halten wir uns beim Betrachten der Aufnahmen sogar für einen guten Fotografen. Nur eines sollten wir nicht vergessen: Bilder zeigen immer nur eine digital optimierte Version unseres Lebens.”

Herr Eisenlauer hat es sehr schön auf den Punkt gebracht. Wir sehen eine digital optimierte Version unseres Lebens und viele halten Grautöne und Zwischentöne für fatal.

Daraus ergeben sich natürlich Fragen für die Wahrnehmung von Wirklichkeit bei sich und bei anderen. Das fängt damit an, daß man sich selbst nicht mehr im Spiegel sieht, sondern sein Spiegelbild digital optimiert im Selfie.

Das Smartphone wird der Blick auf die Welt. Man blickt nicht mehr durch den Sucher und gibt der Welt einen Rahmen, sondern was aus dem Smartphone digital optimiert kommt, ist der Blick auf die Welt.

Das sieht man ja auch ganz praktisch, weil die Menschen auf die Handys schauen und so die Welt in ihrem Kopf entsteht und das den Blick über die Grenze des Smartphones hinaus dann prägt.

Ist das Leben perfekt oder ist erst die digitale Version mit der Illusion des perfekten Lebens real?

Anika Meier hat es gut beschrieben. Immer mehr soziale Kommunikation findet als social Kommunikation statt. Die Wahrnehmung der Welt erfolgt über die “Brille” des Smartphones und das visuelle fotografische “Sprechen” über das Smartphone.

Die Unterscheidung zwischen der Innenwelt und der Außenwelt wird im Kopf ersetzt durch die “Wahr”nehmung der Innenwelt als Außenwelt.

Irreal gilt als “wahr” weil die Wahrnehmung im Kopf real ist, aber das, was wahrgenommen ist, digital ist.

Es ist irgendwie so wie beim Porno gucken statt selbst Liebe zu machen.

Diese neue Dimension des Realen bestimmt immer mehr unser soziales Leben. Sie ist für die Menschen, die so leben, ihr Leben – andere würden sagen, es ist ein Lebensersatz. Weil aber die Lebenszeit real ist, ist dies ihr reales Leben, ist es vielfach wachsender Teil unser aller Leben …

Mehr zum Thema hier.

 

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