Einsamkeit tötet nicht sondern schafft Freiheit

mima

„Ein Hauptstudium der Jugend sollte sein, die Einsamkeit ertragen zu lernen; weil sie eine Quelle des Glückes, der Gemütsruhe ist. –  Aus diesem allen nun folgt, daß der am besten daran ist, der nur auf sich selbst gerechnet hat und sich selber alles in allem sein kann; sogar sagt Cicero: Jeder muß ganz glücklich sein, der nur von sich abhängt und in sich sein Genügen findet. Zudem, je mehr einer an sich selber hat desto weniger können andere ihm sein. Ein gewisses Gefühl von Allgenügsamkeit ist es, welches die Leute von innerm Wert und Reichtum abhält, der Gemeinschaft mit andern die bedeutenden Opfer, welche sie verlangt, zu bringen, geschweige dieselbe, mit merklicher Selbstverleugung, zu suchen. Das Gegenteil hiervon macht die gewöhnlichen Leute so gesellig und akkommodant: es wird ihnen nämlich leichter, andere zu ertragen, als sich selbst. Noch kommt hinzu, daß was wirklichen Wert hat in der Welt nicht geachtet wird, und was geachtet wird keinen Wert hat. Hiervon ist die Zurückgezogenheit jedes Würdigen und Ausgezeichneten der Beweis und die Folge. Diesem allen nach wird es in dem, der etwas rechtes an sich selber hat, echte Lebensweisheit sein, wenn er, erforderlichenfalls seine Bedürfnisse einschränkt, um nur seine Freiheit zu wahren, oder zu erweitern, und demnach mit seiner Person, da sie unvermeidliche Verhältnisse zur Menschenwelt hat, so kurz wie möglich sich abfindet.“

„Kein verkehrterer Weg zum Glück, als das Leben in der großen Welt, in Saus und Braus: denn es bezweckt, unser elendes Dasein in eine Succession von Freude, Genuß, Vergnügen zu verwandeln, wobei die Enttäuschung nicht ausbleiben kann; so wenig, wie bei der obligaten Begleitung dazu, dem gegenseitigen einander Belügen. Zunächst erfordert jede Gesellschaft notwendig eine gegenseitige Accommodation und Temperatur; daher wird sie, je größer, desto fader. Ganz er selbst sein darf jeder nur so lange er allein ist: wer also nicht die Einsamkeit liebt, der liebt auch nicht die Freiheit: denn nur wenn man allein ist, ist man frei: Zwang ist der unzertrennliche Gefährte jeder Gesellschaft, und jede fordert Opfer, die umso schwerer fallen, je bedeutender die eigene Individualität ist. Demgemäß wird jeder in genauer Proportion zum Werte seines eigenen Selbst die Einsamkeit fliehen, ertragen, oder lieben.“

Arthur Schopenhauer

 

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