30 Jahre weiter bleibt die Welt wie sie ist und war

mima

Die Sorgenfibel war 1987 fertig und 1988 draussen und erschien zuerst im Selbstverlag in Buchform. Sie sollte bei Heyne erscheinen aber 90 Seiten reichten nicht. Ich sollte auf mindestens 180 Seiten kommen, wollte aber nicht auffüllen und war trotzig.

Aber die Sorgenfibel war schon damals ein Kind der digitalen Welt und fand über Disketten den Weg auf Computer und zu vielen Menschen.

2018 ist sie über 30 Jahre alt. Seit 2008 diese Webseite online ist, hat sie weiterhin täglich(!) Leser.

Nichts hat sich im Wesen von uns Menschen geändert aber alle Frauen und Männer, die ich damals zitierte, sind heute aus der öffentlichen Diskussion und den Buchhandlungen verschwunden.

Manche Wahrheit läßt sich nicht verkaufen und ist so eben eventuell noch online zu finden und manches interessiert nicht mehr auch wenn es stimmt. Aber auch heute gibt es wunderbare neue Bücher, die helfen können aber fast nie eine Therapie ersetzen, wenn man leidet.

Ich bin nun auch 30 Jahre älter. In dieser Zeit habe ich 25 Jahre Menschen beraten und geschult, war in der Wirtschaft tätig als Geschäftsführer, Dozent, Freiberufler, freier Unternehmer, Publizist, Schriftsteller und mittendrin im industriellen Arbeitsleben mit beruflichen und sozialen Umbruchsituationen. Auch von Krankheiten blieb ich nicht verschont. Zudem erlebte ich wie so viele andere auch Ausgrenzungen, Absturz und Angst.

Politisch war es die Zeit zwischen dem Zusammenbruch des Sozialismus und der neu entstandenen Demokratie mit neoliberaler Ideologie und dem Abbau der sozialen Marktwirtschaft, deren Konsensversprechen der funktionierende und sichernde Sozialstaat war.

Nach einigen existenziellen Situationen würde ich heute manches vorsichtiger schreiben oder neu hinzufügen. So verschwinden Depressionen leider nicht immer wieder von selbst sondern oft nur dann, wenn die Behandlung klappt mit therapeutischer Hilfe solange man auf sich achtet.

Oder starke traumatische Situationen erfordern schnelle psychologische Hilfe sonst versacken sie in den tieferen Schichten der Seele und sind nicht mehr herausholbar. Das ist wie mit den eingeschleppten Flußkrebsen. Sie sind nun für immer da und verdrängen einheimische Arten. Man kann sie abschöpfen und reduzieren aber man muß lernen, damit zu leben.

Vielleicht hat mich die Sorgenfibel sogar damals gerettet. Ich habe erst Jahrzehnte später den Zusammenhang von narzisstischem Verhalten in der Familie und „eigenem“ Denken verstanden. Und erst das Buch „Mitgift“ von Heiko Ernst und Ursula Nuber zeigte mir, daß Eltern zwar die Verursacher aber nicht unbedingt die Schuldigen sind, sie bleiben aber die Verantwortlichen.

Wer das Glück hat, mit fachlicher Hilfe Verhaltens-Mechanismen zu entwickeln und im Rahmen einer zusätzlichen tiefenpsychologischen Analyse sich seinem Trauma nach schlimmen Unfällen, Krankheiten mit seelischen Folgen etc. zu nähern, verdrängte schwere Probleme zu sehen und zu versuchen es zu lösen, um Licht da rein zu bringen und etwas aufzuräumen, der hat viel erreicht. Denn so wird Platz gemacht für mehr Gegenwart. Aber dieser muß man sich auch stellen.

Der Weg ist beschwerlich und niemand muß ihn gehen. Dann bleibt man da und so wie es ist. Aber es gibt ihn und er kann helfen, nicht mehr änderbare Dinge im Kopf und in der Seele immer wieder aufzufangen und zu stabilisieren. Man fängt jeden Tag neu an und man muß sehr darauf achten.

Würde ich die kleine Sorgenfibel noch einmal verlegen, dann wäre sie wohl im Buchformat so ähnlich wie das wunderbare Buch von Maren Schneider „Der kleine Alltagsbuddhist“. Das ist Lebensphilosophie auf die ganz praktische Art und es hilft sehr.

Ab hier möchte ich eigentlich meine letzten dreißig Jahre niederschreiben, so viel hätte ich zu sagen. Stattdessen möchte ich Sie bitten, nicht nur bei google zu suchen, wenn sie hier etwas gefunden haben, was ihnen nicht reicht und sie mehr wissen wollen. Qwant und bing sind viel ertragreicher bei den Suchergebnissen wie ich festgestellt habe.

Nun möchte ich Ihnen noch einen Gedankengang von Irvin D. Yalom aus seinem Buch „Die Schopenhauer-Kur“ mitgeben:

„Oft schon wurde festgestellt, daß drei wichtige geistige Umwälzungen die Idee von der zentralen Stellung des Menschen bedroht haben. Als Erster demonstrierte Kopernikus, dass die Erde nicht der Mittelpunkt ist, um den sich alle anderen Himmelskörper drehen. Als Nächster zeigte uns Darwin, dass wir keine zentrale Rolle in der Kette der Evolution spielen, sondern wie alle anderen Geschöpfe aus anderen Lebensformen entstanden sind. Und drittens erklärte uns Freud, daß wir in unserem eigenen Hause nicht die Herren sind – ein Großteil unseres Verhaltens werde von Kräften ausserhalb unseres Bewusstseins beherrscht. Es besteht kein Zweifel daran, dass Freuds verkannter Mitrevolutionär Arthur Schopenhauer war, der schon lange vor Freuds Geburt postulierte, dass wir von tiefgreifenden biologischen Mächten gesteuert werden und uns dann einbilden, wir hätten unser Schicksal bewusst gewählt.“

Aus dem Vorwort von 2018

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert